29. SONNTAG im Jahreskreis

 

Was will Jesus uns im heutigen Evangelium sagen? Im ersten Augenblick scheint es klar zu sein: Es kommt nur darauf an, dass wir - wie diese Witwe - Gott inständig und hartnäckig genug um etwas bitten. Aber hört man nicht oft Menschen sagen: „Ich habe Gott so oft gebeten, er soll meinen Mann, me ine Frau, mein Kind wieder gesund machen, aber er hat mich nicht erhört! Hört er mich überhaupt? Hat es dann einen Sinn, Gott um etwas zu bitten?“ Andererseits hat Jesus doch gesagt, wir sollen nicht viele Worte machen, nicht „plappern wie die Heiden“, denn Gott weiß, was wir brauchen, noch ehe wir ihn bitten (vgl. Mt 6,7f). Was meint Jesus dann, wenn er sagt, wir sollen beharrlich und unaufhörlich zu Gott beten?

 

Im Gefühl der tiefsten Gottesverlassenheit ruft Jesus am Kreuz: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ „Mein“ Gott!“, sagt er. Er hält trotzdem an seinem Gott fest. Dieser Gott hat ihn nicht vom Kreuz heruntergeholt, er ist trotzdem qualvoll gestorben. Aber Jesus stirbt in die Hände dieses seines Gottes hinein.

Beten heißt, mich Gott anvertrauen, so wie ich mich einem Freund/einer Freundin voll Vertrauen anvertraue, mit meinen Sorgen und Problemen, ohne von ihm/ihr zu erwarten oder sogar zu fordern, dass er/sie diese Probleme für mich löst. Aber das tut gut, hilft mir unter Umständen meine Probleme anders zu betrachten und dadurch vielleicht leichter eine Lösung zu finden. Schenkt Gott uns dann nicht die notwendige innere Kraft, die wir brauchen um selbst zu handeln? Es hat einer einmal gesagt „Das Gebet ändert nicht Gott, sondern den Betenden”.

Wir können auf sehr unterschiedliche Weise beten. Wir können von anderen vorformulierte Gebete sprechen, wenn wir selbst nicht die richtigen Worte finden, uns innerlich leer vorkommen. Vielleicht drücken diese Gebete das aus, was wir im Augenblick selbst empfinden.

Wir können beten mit eigenen Worten. Ich sage zu Gott, ich vertraue ihm an, was mich an Freude oder Trauer, an Ärger oder Angst gerade nicht loslassen will. „Gott, das beschäftigt mich im Augenblick. Ich möchte mit dir über meinen Ärger, meine Freude sprechen ...”

Ich kann auch ohne Worte beten. Ich überlasse mich als ganze Person Gott. Ich „verweile“ bei ihm, bin ganz mit dem Herzen bei ihm. Es ist so wie bei Menschen, die sich gern haben: sie müssen nicht dauernd miteinander reden. Es genügt, dass sie sich einander nahe wissen, in Stille, schweigend, beisammen sind. Gott versteht auch unser Schweigen. Absichtslos da sein mit Gott, darum geht es.

Wir können auch gemeinsam mit anderen beten, z.B. im Gottesdienst. Im Idealfall sprechen wir da Worte aus, mit denen wir uns identifizieren können, die auch von mir selber, aus meinem Herzen kommen könnten. Hier können Lieder eine große Hilfe sein, wenn ich sie mitsinge, aus Überzeugung. Eine schöne Melodie verstärkt meine Emotionen, aber dabei sollen es an erster Stelle die Texte, die Worte sein, hintern denen ich stehe, die das ausdrücken, was ich meine und empfinde. „Singend beten“ steht auf unseren Liederheften.

Beten ist gelebter, praktizierter Glaube. Ich trete zu Gott in eine innerliche Vertrauensbeziehung. Diese Beziehung ist mir wichtig. Ich muss sie pflegen. Deswegen meint Jesus: Wir sollen allezeit beten und darin nicht nachlassen.

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